Transfrau ist körperlich gesund, sitzt freiwillig im Rollstuhl

2022-12-21 15:44:00 By : Ms. Angela Her

Eine Transfrau aus Oslo ist zwar körperlich gesund, sieht sich aber als Mensch mit Behinderung. Sie nutzt einen Rollstuhl, was in den sozialen Medien polarisiert.

Der Gedanke an ein Leben im Rollstuhl ist für Menschen ohne Handicap in der Regel mit Angst besetzt. Doch es gibt sie: Menschen, die zwar körperlich gesund sind, aber trotzdem das Leben eines Menschen mit Behinderung führen. Die 53-jährige Transfrau Jørund Viktoria Alme aus Oslo, Norwegen, zählt dazu. Alme erklärte im Interview, das im Oktober während der norwegischen TV-Sendung God Morgen Norge geführt wurde, dass sie sich nicht als gesunder Mann sieht. Vielmehr identifiziert sie sich mit der Rolle einer Frau, die von der Hüfte abwärts gelähmt ist. Alme habe sich immer gewünscht als Frau mit Handicap geboren worden zu sein, berichtete die leitende Kreditanalystin bei der Handelsbank in Oslo in der TV-Sendung.

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Die 53-Jährige Jørund Viktoria Alme sagt dem Sender TV2 zufolge, dass sie freiwillig im Rollstuhl sitzt, ohne eine Behinderung zu haben. Dem feministischen Portal Reduxx zufolge gibt Alme an, an einer Körperintegritäts-Identitätsstörung (BID) zu leiden. Mediziner stellen diese Diagnose, wenn Menschen einen krankhaften Wunsch haben, eine körperliche Behinderung wie eine Querschnittslähmung zu erlangen.

„Es ist eine kognitive Dissonanz: So wie ich mich als Frau im Körper eines Mannes fühle, empfinde ich, dass ich von der Taille abwärts hätte gelähmt sein müssen. Es geht nicht um den Wunsch, der Gesellschaft zur Last zu fallen. Es geht darum, dass der Rollstuhl für mich ein Hilfsmittel ist, um im Alltag zu funktionieren, sowohl privat als auch beruflich“, wird Alme von reduxx.info zitiert. Mit ihren Ausführungen im TV-Interview polarisiert Jørund Viktoria Alme. Das macht sich auch durch Kommentare im Netz bemerkbar. Unter anderem finden sich Twitter-Meldungen wie „Früher wäre er in der Psychiatrie gelandet“ oder Facebook-Kommentare wie „Diese Frau braucht keinen Rollstuhl für ihr Leiden, sondern psychische Hilfe. Das ist ein Hohn für alle, die dieses Schicksal traf“. Letzteren Post verfasste ein Mann, der selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Einer deutschen Studie zufolge haben Personen mit Body Integrity Dysphoria (BID) einen starken Wunsch nach einer Amputation (BID-A) oder Lähmung (BID-L). Wie die Forschergruppe um Nina Heinrichs vom Institut für Psychologie an der Universität Bremen informiert, ist das Phänomen BID „noch zu schlecht wissenschaftlich begründet abbildbar“, um konkrete Handlungshinweise für die praktische Arbeit mit BID-Betroffenen abzuleiten. „Die zugrunde liegenden Mechanismen, die dann auch in ein Störungsverständnis und einen Veränderungsprozess münden, sind bisher nicht identifiziert“, so das Studienfazit.

Im Extremfall kann die Störung dazu führen, dass Betroffene sich in ihrer Identität so beeinträchtigt fühlen, dass sie eine Amputation in Betracht ziehen oder sich sogar selbst verstümmeln, informiert die Technische Universität Braunschweig. In der Spezialambulanz für körperdysmorphe Störung an der TU Braunschweig finden Menschen mit BID Beratung und Unterstützung. Auch eine neue Form der kognitiven Verhaltenstherapie wird derzeit an der TU Braunschweig erforscht.