Wenn der Wünschewagen durch die Lande rollt, erfüllt er Sterbenden Herzensbitten

2022-12-21 15:40:47 By : Ms. Cindy L

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Michael Spohn und Thomas Limberg sind zwei von rund 60 Wunscherfüllern, die regelmäßig mit dem Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) quer durch Deutschland fahren, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase den letzten Herzenswunsch zu erfüllen. Jede freie Minute, die sie haben, verwenden sie dafür. Spohn ist Rentner, Limberg arbeitet als Chauffeur für die Deutsche Bahn.

Seit 2017 gibt es den ASB-Wünschewagen in Hessen. Auch in anderen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg gibt es ein speziell für die Wunscherfüllung gebautes Fahrzeug, in dem Kranke oder eingeschränkte Menschen wahlweise liegend oder sitzend bequem und mit allen medizinischen Annehmlichkeiten - damit bei einer solchen Reise auch in diesem Punkt Sicherheit herrscht - an einen beliebigen Zielort gefahren werden können. Zusammen mit ihren Angehörigen oder Freunden. Noch einmal im Leben an das Meer. In das geliebte Fußballstadion. In den Zoo, in dem man so viele Stunden verbracht hat. Zur Hochzeit der Enkelin. In den Stall zum geliebten Pferd. Oder einfach nur einmal noch den Lieblingsweg durch den Wohnort nachfahren. Es gibt viele Herzensbitten, viele Sehnsuchtsziele.

»Der Mensch mit seinem Wunsch zählt. Und wir sorgen dafür, dass dieser Wunsch wahr wird. Etwas, das man nicht vergisst und das für einen Tag die Krankheit, das Leid, das bevorstehende Sterben in den Hintergrund treten lässt«, sagt Limberg. Spohn ist seit Anfang an dabei, hat rund 60 Fahrten bereits mitgemacht, betreut und hat dabei viel erlebt. Auf die Idee, beim Wünschewagen mitzumachen, kam seine inzwischen verstorbene Frau.

Der Todkranke, der sich auf der Hochzeit seiner Enkelin von seiner Familie verabschiedete. Die Frau, die noch einmal in den Zoo nach Stuttgart gefahren ist, wo sie früher als Tierpflegerin gearbeitet hat. Die Dame, die noch einmal in die Alpen wollte. Der 71-Jährige wirkt abgeklärt und nüchtern. Und dann holt er ein graues Heft heraus, in dem er alle seine Fahrten dokumentiert hat. Es ist eine Art Tagebuch mit Fotos, Eintrittskarten, persönlichen Notizen. »Du hast alle deine Fahrten aufgeschrieben?«, wundert sich auch sein Kollege Limberg. Es zeigt, dass hier einer mit Herzblut mitmacht - und sich gerne mithilfe des Notizbuches auch immer wieder an die besonderen Erlebnisse erinnert. Thomas Limberg ist noch nicht ganz so lange dabei wie Spohn, aber nicht mit weniger Engagement - auch wenn ihm sein Beruf nicht ganz so viel freie Zeit dafür lässt wie Spohn. »Er ist das Rückgrat des Wünschewagens«, meint Limberg und klopft seinem Kollegen dabei auf die Schulter. »Ach, da sind ja noch jede Menge andere Menschen, die das möglich machen«, erwidert Spohn bescheiden.

»Jede Fahrt ist anders. Eine Dame, die wir auf die Hochzeit ihres Enkels gefahren haben. Das war sehr anstrengend für sie. Aber als sie wieder bei uns im Wagen auf der Rückfahrt saß, hat sie über das ganze Gesicht gestrahlt«, erzählt der 46-jährige Limberg.

Die Mitarbeiter, die den Wunsch aufnehmen und den ganzen Hintergrund abklären, fragen als erstes, ob sich die Ehrenamtlichen die Fahrt zutrauen. Ein Team von zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern begleitet die Fahrt. Einer davon muss medizinische Kenntnisse haben, weil die Fahrgäste während der Fahrt auch mal versorgt werden müssen. »Manche müssen abgesaugt werden. Manche brauchen zwischendurch Sauerstoff. Fast alle brauchen Medikamente«, erklärt Spohn, der früher hauptamtlich Rettungsdienst gefahren ist. Es ist aufwendig, weil die Fahrgäste während einer langen Fahrt auch mal umgelagert werden müssen. Im Vorfeld wird immer abgeklärt, ob der Fahrgast aufgrund seines Gesundheitszustandes transportfähig ist. Ohne Einwilligung des behandelnden Arztes geht es gar nicht erst los. Das Fahrzeug fährt mit 80 Stundenkilometern auch sehr gemächlich. Das Team lässt sich Zeit, macht viele Pausen, damit eine Reise nicht zu anstrengend wird für die Gäste.

Spezielle Ausstattung: spezielle Stoßdämpfer, Musikanlage, Spezialbeleuchtung und Farbenkonzept im Inntenraum, Sternenbettwäsche, Blumen, Kühltruhe für Medikamente und Getränke, verspiegelte Rundum-Verglasung, notfallmedizinische Ausstattung wie unter anderem ein automatisierter externer Defibrillator, eine Einrichtung für Sauerstoffversorgung (1x11 und 1x2 Liter Sauerstoffflasche, Notfallrucksack und Sekret-Absaugpumpe.

Gesamtgewicht: 4,05 Tonnen plus Ausrüstung und Trage

Personen im Wünschewagen: zwei Ehrenamtliche, ein Patient plus eine Begleitperson

Davon in Baden-Württemberg: 3

Kosten für eine durchschnittliche Wunschfahrt: 500 bis 700 Euro

Der Wagen ist alleine durch seine Größe und sein Gewicht bei voller Beladung von fast fünf Tonnen eine Herausforderung. Das Fahren damit will gelernt sein. Es ist ein ausgestattetes Fahrzeug auf Basis eines Krankentransportwagens - doch die medizinische Ausrüstung ist im Inneren gut versteckt. Doch der Innenraum wirkt gemütlich. Mit großen Panoramafenstern zum Herausschauen - die von außen aber nicht einsehbar sind: für die Privatsphäre der Fahrgäste.

Als das Pferd seinen Kopf in den Schoß der ehemaligen Reiterin, die inzwischen im Rollstuhl sitzt, gelegt hat beim Treffen. Als die Zootiere die ehemalige Tierpflegerin wiedererkennen. Spohn und Limberg tauchen regelmäßig in die Lebensgeschichten anderer Menschen ein. »Es ist emotional für uns schon herausfordernd. Aber die Freude überwiegt schon die Anstrengung«, sagen beide übereinstimmend. Im Gegenteil: Die Wünschenden könnten bei der Fahrt einmal ihren oft beschwerlichen und belastenden Alltag hinter sich lassen. »Bei einer Frau ist uns dann irgendwann aufgefallen, dass sie schon länger nicht nach ihren Medikamenten gefragt hat. Weil sie einfach glücklich war«, sagt Spohn.

Sie zeigen Fotos von den Fahrten. Lächeln sich gegenseitig an. Erinnern sich an die gemeinsamen Momente, die sie zusammen erlebt haben. Das schweißt zusammen. Zwei Männer, die für die gute Sache brennen. Die im Gespräch immer wieder bewegt und berührt sind von den Erinnerungen an vergangene Fahrten.

Limberg erinnert sich an einen 15-jährigen Jungen mit Entwicklungsstörung, der sich verbal nicht äußern konnte und der sehr starke Stimmungsschwankungen hatte. Eine echte Aufgabe für das ganze Team, weil der Jugendliche unruhig war und im Wagen viel Durcheinander hinterließ. »Aber vor Ort passieren dann Dinge, die alle verblüffen. Der Junge ist dann auf der Fahrt aufgeblüht, hat am Ende zusammen mit seiner Schwester sogar getanzt. Ein absolutes Glücksgefühl«, sagt der 46-Jährige, der aus Ostdeutschland stammt und heute mit seiner Frau - die auch im Projekt engagiert ist - in Friedberg (Wetteraukreis) lebt. »Das lässt die eigenen Sorgen kleiner und unbedeutender erscheinen. Man weiß, wie behütet und heil das eigene Leben ist.«

Spohn hat es erlebt, wie ein Mann, der weiß, dass er stirbt, sich auf einem Brunch von seiner Familie und seinen Freunden bewusst verabschiedet hat. Mit dem Wünschewagen hatten sie den Mann zu dem Restaurant gefahren. Es sind teilweise intime Momente, die die Wunscherfüller miterleben. Daneben müssen sie die Wünschenden bei vielem unterstützen - auch bei den Toilettengängen in den Pausen.

Das Wissen, dass diejenigen, die sie zu ihrem Wunschort bringen, kurz danach versterben. Es ist nicht einfach für die Ehrenamtlichen, damit umzugehen. Selbst entworfene Postkarten von Angehörigen von Wünschenden zieren die Pinnwand in Spohns Küche. Limberg zeigt Videos auf seinem Handy. Zu melancholischen Klängen ziehen Bilder eines Mannes im Rollstuhl im Stadion von Rot-Weiss Essen vorbei. Ein Lachen im Gesicht. Ein einmaliger Tag war es, den er noch einmal erleben durfte. Kurz darauf ist er gestorben. Aber diesen einen Tag davor hat er erlebt. Zusammen mit seinen Liebsten - und den Wunscherfüllern, die alles dafür tun.

Seit 2014 das rein ehrenamtlich getragene und ausschließlich aus Spenden finanzierte Projekt Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes. Auch von den Maltesern gibt es ein solches Projekt: der Herzenswunsch-Krankenwagen. Und beim Bayerischen Roten Kreuz heißt es Herzenswunsch-Hospizmobil. Auch bei diesen Hilfsorganisationen sind die Fahrten kostenlos für die Betroffenen. Es gibt daneben noch viele weitere Möglichkeiten wie beispielsweise die Infinitas-Kay-Stiftung aus Hamburg, die das Projekt Ein letzter Wunsch unterhält. Ebenso widmet sich der Verein Letzter Wunsch Bayern aus München der Wunscherfüllung Sterbender. (

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